2019….startet nicht nur mit einer neu organisierten Kursreihe. Das MT-TO-GO-Team zeigt sich in stärkerer Besetzung und wird diesen Blog mit neuen Erkenntnissen rund um die Manuelle Therapie bereichern.
Das alte Jahr ging aber auch wissenschaftlich auf hohem Niveau zu Ende. Dieser Blog-Beitrag gibt daher Inhalte von zwei Kongressen wieder, die für die manualtherapeutische Behandlung der oberen und unteren Extremität interessant sind.
Der Schulterkongress im Stilwerkforum Berlin am 05. Dezember 2018, organisiert von Prof. Dr. med. Markus Scheibel, mittlerweile an der Züricher Schulthess Klinik tätig, widmete sich der konservativen Therapie und rehabilitativen Maßnahmen bei Verletzungen und Erkrankungen der Schulter und des Schultergelenkes. Hier zeigte besonders bei der klinischen Untersuchung der Schulter, dass diese der `Schlüssel zum Erfolg´ ist.
Zusatztests, die in der Manuellen Therapie bei einem Verdacht auf eine Hypermobilität oder eine Ventralisierung des Humeruskopfes angewendet werden, wurden leicht variiert oder erweitert. Sie könnten dadurch weitere Erkenntnisse bringen. Beim Stellungs- und Aprehension-Test gibt keinen Unterschied in der Ausführung. Das Sulcus-Zeichen wird allerdings in unterschiedlichen Rotationsgraden durchgeführt, so dass alle Kapselanteile getestet werden können. Ein Zug auf den herabhängenden Arm wird dabei sowohl in Ruhestellung als auch in vermehrter Innenrotation oder Außenrotation appliziert. Beim Relocation-Test wird der dorsale Schub, der den Humeruskopf repositioniert, um eine mögliche Erweiterung des Bewegungsausmaßes und eine Schmerzlinderung zu erreichen, am Ende abrupt losgelassen. So wird die ventrale Stabilität zusätzlich reflektorisch getestet.
Die aktuelle Studienlage zeigt für Stabilitäts- und Impingement-Tests folgende Ergebnisse: Das Dropping- oder Lag-Sign in Außenrotation weist eine 100%ige Sensitivität und Spezifität auf, so dass bei einem positiven Test eine Degeneration bzw. eine Grad III und Grad IV-Läsion des Musculus infraspinatus mit hoher Wahrscheinlichkeit diagnostiziert werden kann bzw. bei einem negativen Test ausgeschlossen werden kann. Auch das Hornblower-Zeichen zur Diagnostizierung einer Läsion des Musculus teres minor zeigt eine 100%ige Sensitivität und mit 93% eine hohe Spezifität. Der Test ist positiv, wenn es zu einem Anheben des Ellenbogens kommt (Innenrotation im Schultergelenk), wenn der Patient versucht die Hand zum Mund zu führen als möchte er in ein Horn blasen.
Bezüglich der Diagnostizierung einer Läsion der Bicepssehne erweist sich der lokale Druckschmerz mit einer Ausstrahlung nach distal als aussagekräftig. Sowohl der Speed-Test als auch der Yergason-Test zeigen unzureichende Sensitivitäts- und Spezifitätswerte.
Auch der bisher häufig durchgeführte Cross-Body-Test für das Acromioklavikulargelenk (ACG) weist keine gute Aussagekraft auf. Der lokale Druckschmerz am ACG selber und der horizontale Widerstand in Abduktion eignen sich hier deutlich besser für die klinische Untersuchung des ACG.
Der Gelenkkurs für die untere Extremität fand am 14. Dezember 2018 in der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften am Gendarmenmarkt in Berlin statt. Das Hüft-, Knie- und Fuß-Team des Centrums für Muskuloskeletale Chirurgie an der Charité, Universitätsmedizin Berlin, stand unter dem Motto `Konservative und rehabilitative Aspekte bei Verletzungen der Unteren Extremität´. Ein viel diskutiertes Thema war die operative und konservative Versorgung der Achillessehnenruptur sowie die klinische Diagnostik. Folgende Untersuchungsmethoden wurden hinsichtlich der Sensitivität verglichen: Der fehlende Einbeinstand, der Thompson-Test und der Matles-Test.
Der fehlende Einbeinstand zeigt dabei eine Sensitivität von 100%.
Der Thompson-Test, bei dem in Bauchlage die Wade des Patienten transversal komprimiert wird, sollte bei intakter Achillessehne eine Plantarflexion des Fußes erfolgen. Dieser Test zeigt ebenso mit 96% eine relativ hohe Sensitivität.
Beim Matles-Test befindet sich der Patient in Bauchlage und die Knie sind 90° flektiert. Dabei sollte sich das Obere Sprunggelenk in einer leichten Plantarflexion befinden. Befindet sich dieses in Neutralstellung, spricht das für eine Ruptur der Achillessehne. Dieser Test zeigt eine Sensitivität von 89%.
Die tastbare Delle und die Plantarflexion gegen Widerstand weisen mit 73% bzw. 50% eine eher moderate Sensitivität auf.
Die operative Versorgung zeigt eine 6%ige Verlängerung der Sehne um 12mm und eine 11-13% geringere Wadenmuskulatur. Bei konservativ versorgten Patienten ist die Achillessehne sogar um 19mm verlängert und die Wadenmuskulatur ist um 24% verringert. Die Kraft der Plantarflexoren ist bei einer OP ca. 10-18% stärker als bei einer konservativen Versorgung. Insgesamt schaffen aber auch Profisportler nach einer Achillessehnenruptur nach einem Jahr nur zu 72% den return to sport und die post-operative performance ist deutlich schlechter, sowie die Karriere eine Saison kürzer.
Hinsichtlich der Prävention von Verletzungen am Kniegelenk zeigte eine Meta-Analyse von 2017 ein erneut gutes Abschneiden des Fédération Internationale de Football Association (FIFA) 11+ Programms. Das warm-up Programm konnte das Risiko von Verletzungen bei Fußballspielern um 30% reduzieren. Das Präventionsprogramm wurde vom FIFA Medical Assessment and Research Centre (F-MARC) für Sportler ab 14 Jahren entwickelt und besteht aus zehn Übungen und dem sogenannten `Fair Play`. Es wird in drei Teilen durchgeführt. Der erste Teil besteht aus Laufübungen mit aktivem Stretching und kontrollierten Körperkontakten, der zweite Teil aus Übungen zur Verbesserung der Kraft, Plyometrie (Schnellkrafttraining) und des Gleichgewichts (in drei Schwierigkeitsstufen) und der dritte Teil aus Lauf- und Sprintübungen mit Sprüngen und Richtungswechseln. Das Programm kann auf der Internetseite des Deutschen Fußball-Bunds kostenfrei als Plakat oder Handbuch heruntergeladen werden:
https://www.dfb.de/trainer/artikel/fifa-11-310/?no_cache=1
Ein weiteres Trainingsprogramm zur Prävention von Knieverletzungen bietet `Stop-X`. Dieses Programm der Deutschen Kniegesellschaft e.V. wurde im Jahr 2017 entwickelt und ist ebenfalls frei als Download verfügbar:
Neben Trainingsübungen für Balance, Kraft, Lauf und Sprung werden Allgemeine Risikofaktoren, Sportspezifische Risikofaktoren sowie die Bedeutung der Muskulatur erklärt. Übungen aus diesen Präventionsprogrammen lassen sich gut in die physiotherapeutische Behandlung sowie in das spätere Training integrieren.
Literatur:
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Heikkinen J, Lantto I, Piilonen J, Flinkkilä T, Ohtonen P, Siira P, Laine V, Niinimäki J, Pajala A, Leppilahti J. Tendon Length, Calf Muscle Atrophy, and Strength Deficit After Acute Achilles Tendon Rupture: Long-Term Follow-up of Patients in a Previous Study. J Bone Joint Surg Am. 2017; 99(18):1509-15.
Holtby R, Razmjou H. Accuracy of the Speed’s and Yergason’s tests in detecting biceps pathology and SLAP lesions: comparison with arthroscopic findings. Arthroscopy. 2004;20(3):231-6.
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