Bereits im Juni 2016 wurden hier von Else Germer die dynamischen Tests für die Untere Extremität (UEX) vorgestellt (http://mt-togo.com/fachliches/dynamische-knietests/), die sich bereits in der Rehabilitation etabliert haben.
Der entsprechende Return to Activity Algorithmus (RTA) für die Obere Extremität wurde in der Juli-Ausgabe 2017 der Zeitschrift `Manuelle Therapie` von Matthias Keller und Eduard Kurz beschrieben. Anhand von funktionellen Assessments lässt sich damit die Belastbarkeit testen und einschätzen. Sie bieten sowohl dem Therapeuten als auch dem Patienten ein objektives Bewertungstool für die zielgerichtete Nachbehandlung.
Wichtig ist dabei, in der Post Injury Pyramide mit ihrer Hierarchie die einzelnen Phasen bis zurück zum Pre Injury Level zu betrachten und zu unterscheiden. Die erste Phase betrifft die Stufe RTA, gefolgt vom Return to Sport, Return to Play bis hin zu Return to Competition.
RTA bedeutet, dass Basisfunktionen wieder beherrscht werden müssen, als Mindestvoraussetzung, um eine entsprechende Sportart oder Tätigkeit wieder ausführen zu können. Zeigen sich hier Asymmetrien, ist eine Wiedereingliederung in den Sport und eine entsprechende Alltagsbelastung nicht zu empfehlen.
Return to Sport bedeutet, dass die Übungen sportartspezifischer und möglichst in entsprechender Trainingsumgebung stattfinden sollten. Bei Mannschaftssportarten wird diese Phase auch als sogenannte `Return to reduced Team Training` bezeichnet. Sie findet ohne Körperkontakt statt.
Return to Play bedeutet die volle Sportfähigkeit erreicht zu haben, so dass uneingeschränkt das gesamte Mannschaftstraining absolviert werden kann (`Return to full Team Training`). Wird diese Phase für zwei Wochen problemlos absolviert, kann über eine Wettkampfteilnahme entschieden werden.
Return to Competition beschreibt dabei die Teilnahme über die gesamte Zeit des Wettkampfes.
In diesem Beitrag wird im folgenden ausschließlich die Stufe RTA für die OEX betrachtet. Der Algorithmus ersetzt keine apparative Leistungsdiagnostik, sondern dient zur Verlaufskontrolle und Anpassung der Trainingstherapie. Die Einteilung erfolgt dabei in vier Level und ist an die Einteilung für die UEX nach Daniel et al. 1994 angepasst. Sie beschreibt die Sport- und Alltagsaktivitäten des entsprechenden Levels.
Level 1: Walken und Joggen (geringe Arm- und Schulterbelastung) – geringe Arm- und Schulterbelastung
Level 2: Radsport, Skilanglauf (Schwung- und Stützbelastungen)– leichte körperliche Arbeit
Level 3: Fußball und Skifahren (Kontaktsportarten mit geringer Armbelastung) – komplexe Schulterbewegungen
Level 4: Handball, Volleyball, Boxen, Tennis, Eishockey ( Schlag-, Stoß- und Wurfbelastungen) – Aktivitäten wie beim Sport in Level 4
Jedem der vier Level sind dabei zwei Tests zugeordnet. Ein Test für das Bewegungsausmaß und ein Test für die Stützfunktion. Dabei muss der Test für das Bewegungsausmaß bestanden sein, bevor der Test für die Stützbelastung durchgeführt werden darf. Beide Tests müssen erfolgreich absolviert worden sein, bevor das nächste Level getestet werden darf. Die Ergebnisse der jeweiligen Tests werden hinsichtlich der Qualität und Quantität mit den Ergebnissen der nicht betroffenen Seite vergleichen.
Level 1:
Test für das funktionelle Bewegungsausmaß: 90° Anteversion
Durchführung:
Der Test wird im Stand ausgeführt. Der Patient steht im Abstand einer Fußlänge mit geschlossenen Füßen mit dem Rücken zur Wand. Das Sakrum und die Brustwirbelsäule haben Kontakt zur Wand. Die Anteversion muss mit gestreckten Ellenbogengelenken und abgespreizten Daumen erfolgen. Dabei darf der Patient die Bewegung bis zu fünf Mal wiederholen. Er darf durch den Therapeuten korrigiert werden. Kann der Patient die Anforderungen nicht erfüllen, wird der Test abgebrochen. Wenn er den Test für das Bewegungsausmaß erfüllt hat, erfolgt der Test für die Stützfunktion.
Test für die Stützfunktion: Frontstütz-Test
Durchführung:
Der Patient befindet sich im Vierfüßlerstand und die Handgelenke stehen unter den Schultergelenken. Die Füße werden schulterbreit auseinander aufgestellt. Aus dieser Position drückt sich der Patient in die Stützposition und extendiert die Kniegelenke. Diese Position muss in einer geraden Linie 15 Sekunden lang gehalten werden. Eine erste Korrektur durch den Therapeuten ist erlaubt, eine zweite führt zum Abbruch. Ausweichbewegungen führen ebenfalls zum Abbruch. Wurden beide Tests korrekt ausgeführt, darf das nächste Level getestet werden.
Level 2:
Test für das funktionelle Bewegungsausmaß: 180° Anteversion
Durchführung:
Die Ausgangsstellung und die Durchführung entsprechen dem Level 1. Der Patient versucht beide Arme in eine maximale Anteversion zu bringen. Referenz ist dabei wieder die gesunde Seite.
Test für die Stützfunktion: Frontstütz-Test einarmig
Durchführung:
Der Test wird zuerst mit der nicht-betroffenen Seite durchgeführt.Die Ausgangsstellung ist erneut der Vierfüßlerstand. Der nicht zu testende Arm wird dabei auf dem Rücken abgelegt, der stützende Arm wird unter dem Sternum positioniert. Aus dieser Position drückt sich der Patient in die Stützposition, die wie beim Level 1 15 Sekunden lang gehalten werden muss. Es gelten o.g. Bedingungen.
Level 3:
Test für das funktionelle Bewegungsausmaß: Außenrotation in 90° Abduktion
Durchführung:
Die Ausgangsstellung entspricht Level 1 und 2. Beide Arme werden zunächst in 90° Abduktion positioniert und danach in maximale Außenrotation gebracht. Referenz ist dabei wieder die gesunde Seite. Das Ziel ist ein symmetrisches Bewegungsausmaß.
Test für die Stützfunktion: Y-Balance Test
Durchführung:
Der Y-Balance-Test, ein bekanntes Messinstrument für die dynamische Kontrolle der UEX, ermittelt die Mobilität des bewegenden Armes und die Stützfähigkeit des stützenden Armes. Die Ausgangsstellung entspricht Level 2. Dabei wird die Stützhand so positioniert, dass sie sich an der Stelle befindet, wo die Linien des `Y` zusammenlaufen. Im Frontstütz-einarmig wird der Patient gebeten, den zu bewegenden Arm vom Stützarm aus entlang der Linien des `Y` zu führen (horizontal von der Stützhand weg, nach inferior-superior und nach inferior-inferior). Der Test wird auch hier zuerst mit der gesunden Seite ausgeführt. Auf beiden Seiten sind je drei Durchgänge erlaubt. Die erreichten Wegstrecken werden in Zentimetern gemessen und summiert. Die Symmetrie der Extremitäten wird dabei mit dem Limb Symmetry Index (LSI) berechnet. Die Leistung der betroffenen Seite sollte mindestens 90% der nicht-betroffenen entsprechen. Abweichungen von 10% gelten als physiologisch, bei Abweichungen darüber hinaus gilt der Test als nicht bestanden.
Soll ein interindividueller Vergleich ermittelt werden, wird der Composite Score (CR) verwendet. Dabei wird die Summe der Wegstrecken durch die Länge der entsprechenden Extremität geteilt. Diese Vorgehensweise kann auch für die UEX angewendet werden.
Level 4:
Test für das funktionelle Bewegungsausmaß: Innenrotation in 90° Abduktion
Durchführung:
Die Ausgangsstellung und die Durchführung entsprechen dem Level 3 mit der Ausnahme, dass das Schultergelenk in 90° Abduktion nach innen rotiert wird.
Test für die Stützfunktion: Wall-Hop Test
Der Wall-Hop Test ist equivalent zum Side Hop Test der unteren Extremität. In diesem Fall sind allerdings zwei Linien mit einem Abstand von 30cm anstatt 40cm bei der unteren Extremität an der Wand als Markierung angebracht.
Durchführung:
Der Patient steht dabei so weit von der Wand entfernt, dass er diese nur noch mit den Fingerspitzen berühren kann. Von dort entfernt er sich noch einmal um zwei Fußlängen nach hinten. Während die stützende Hand direkt lateral der einen Line positioniert wird, liegt die andere auf dem Rücken des Patienten. Der Patient wird aufgefordert sich mit der stützenden Hand von der Wand abzustoßen und lateral der Markierung auf der anderen Seite zu landen, um sich dann erneut abzustoßen. Dabei dürfen die Linien weder berührt noch überschritten werden. In einem Zeitraum von 30 Sekunden werden die erreichten Kontakte gezählt und mit dem LSI mit der nicht-betroffenen Seite verglichen. Dieser Test wird auch zuerst mit der nicht-betroffenen Seite durchgeführt und dient der Beurteilung der Kraftausdauer.
Mit Hilfe des RTA ist es dem Therapeuten möglich, die Belastbarkeit des Patienten individuell einzuschätzen und mit objektiven und messbaren Assessments die Therapie entsprechend anzupassen und zu dosieren. Wegen seiner schnellen und einfachen Durchführung sollte der RTA zunehmend in die manualtherapeutische Rehabilitation integriert werden.
Literatur:
Keller M, Kurz E. Zurück zum Pre Injury Level-der RTA Algorithmus für die obere Extremität. Man Ther 2017; 21:113-121.
Keller M, Kurz E. Zurück zum Pre Injury Level nach Verletzungen der unteren Extremität-eine Einteilung funktioneller Assessments. Man Ther 2016; 20:16-18.