Das Scapulothorakale Gelenk ist abhängig von der dynamischen Stabilisation durch die Muskulatur. Sie gewährleistet eine stabile Basis für die Bewegungen im Glenohumeralgelenk. Für eine Beurteilung ist eine spezifische Analyse des Schulterkomplexes erforderlich. Nach der Untersuchung des Bewegungsausmaßes aller knöchernen Anteile folgt die Analyse der Muskelgruppen. Dabei ist es wichtig sowohl die konzentrische als auch die exzentrische Muskelarbeit zu evaluieren.
Wichtige muskuläre Strukturen sind der M. serratus anterior und der M. trapezius. Der M. serratus anterior stabilisiert die Scapula auf dem Rumpf, steuert sie Aufwärtsrotation und die AR. Die Aufwärtsrotation ist eine essentielle Komponente für die Elevation des Armes. Wenn diese durch den M. serratus anterior und den M. trapezius gegeben ist, kann die Rotatorenmanchette zusammen mit dem M. deltoideus eine zentrierte Humerusbewegung bewirken. Die Aufwärtsrotation der Scapula wird durch den M.trapezius transversus als Stabilisator des margo medialis eingeleitet. Der M. serratus anterior zieht den angulus inferior nach lateral (AR). Der M. trapezius pars ascendens zieht die Scapula durch seinen Ansatz am medialen Teil der spina nach unten und unterstützt damit die Aufwärtsrotation, während der M. trapezius pars descendens lateral die spina hebt.
In diesem Zusammenhang müssen auch die knöchernen Strukturen überprüft werden, ob z.B. die Rippen eine Fehlstellung aufweisen und dadurch eine Fehlsteuerung des M.serratus anterior hervorrufen. Ebenso können Funktionsstörungen aus den Segmenten C5-C7 oder Irritationen des N.thoracicus longus oder des gesamten Pars supraclavicularis des Plexus brachialis einen Einfluss auf den M. serratus anterior haben. Ähnlich verhält es sich beim M. trapezius ascendens, innerviert vom N. accessorius mit seinen spinalen Anteilen des Plexus cervicalis aus den Segmenten C2-C4 und mit dem N.glossopharyngeus aus der Vages-Gruppe. Dem gegenüber gibt es auch Muskelstrukturen, die in Ihrer Spannung ausreichend entspannen müssen. Darunter zählt der M.pectoralis minor, der latissimus dorsi, die Rhomboiden und der M.levator scapulae. Patienten mit einer hypertonen Längenminderung des M. pectoralis minor weisen eine verminderte posteriore Kippung der Scapula auf, während der M.levator scapulae die Scapula in IR hält. Eine zu geringe Extension der Brustwirbelsäule kann ebenfalls eine veränderte Positionierung der Scapula bewirken.
Therapieansatz ist zunächst die posturale Kontrolle und das sensomotorische Training, bei dem eine vermehrte Aktivität des M. trapezius pars descendes vermieden werden sollte. Scapulaspezifische Übungsformen sollten nur mit moderaten Schulterschmerzen und Widerständen durchgeführt werden. Sie erfolgen zunächst isometrisch- zum Beispiel `Inferior Glides` (Inferiore Scapula Depression bei glenohumeraler Adduktion gegen Widerstand der Bankkante-Aste Stand) und `Low Rows` (Scapula Retraktion und Depression bei abduziertem und außenrotiertem Arm-distal Druck gebend auf eine Unterlage-Aste Sitz). Dynamische Übungen können danach in Form von `Push-up Plus` (Liegestützen) durchgeführt werden. Der M.trapezius pars ascendens lässt sich mittels ´Overhead Arm Lifts` (Schulterdrücken) trainieren. Eine zusätzliche Steigerung durch instabile Unterlagen konnte bisher nicht nachgewiesen werden.
Insgesamt bietet sich für die Rehabilitation der Schulter die Scapula-Ebene an, welche zwischen 30° und 45° vor der Frontalebene liegt. In dieser Position sind die Längen- und Spannungsverhältnisse von glenohumeralen und scapulothorakalen Stabilisatoren optimal. Sie wird `Scaption` genannt.
Übungen in der geschlossenen Kette führten zu folgenden Studienergebnissen:
Im Vierfüßlerstand zeigt sich eine vermehrte Aktivität des M. serratus anterior beim Anheben des ipsilateralen Beines (Maenhout et al. 2010). In der offenen Kette zeigt eine ipsilaterale Rotation der Rumpfes ebenso eine vermehrte Muskelaktivität (Yamauchi 2015). Der M. serratus anterior wird dabei insbesondere aktiviert, wenn das kontralaterale vor das ipsilaterale gesetzt wird (Kaur 2014).
Fazit für das Training: `Don´t forget the kinetic chain!`
Literatur:
Kaur NA, Bhanot KU, Thein Brody LO, Bridges J, Berry DA, OdeJO. Effects of lower extremity and trunk muscles recruitment on serratus anterior muscle activation in healthy male adults. Int J Sports Phys Ther. 2014; 9(7): 924–937.
Kopkow C, Dexel J, Kasten P. Skapuladyskinesie und Therapiestrategie. PT 2015; 9:10-16.
Kopkow C, Dexel J, Kasten P. Pathomechanismus, Diagnostik und Therapie der Scapuladyskinesie beim Wurfsportler. Dtsch Z Sportmed. 2013; 64:267-272 64.
Maenhout A, Van Praet K, Pizzi L, Van Herzeele M, Cools A. Electromyographic analysis of knee push up plus variations: what is the influence of the kinetic chain on scapular muscle activity? Br J Sports Med. 2010 Nov;44(14):1010-5.
Weppler CH, Magnusson SP. Increasing muscle extensibility: a matter of increasing length or modifying sensation? Phys Ther 2010; 90: 438-449.
Yamauchi T, Hasegawa S, Matsumura A, Nakamura M, Ibuki S, Ichihashi N. The effect of trunk rotation during shoulder exercises on the activity of the scapular muscle and scapular kinematics. J Shoulder Elbow Surg. 2015 Jun;24(6):955-64.