Die Scapula ist als Bindeglied für eine optimale Kraftübertragung von Bedeutung und deren korrekte Position für die Funktion der oberen Extremität mit verantwortlich.
Der Begriff `Scapuladykinesie` beschreibt Veränderungen des dynamischen Verhaltens der Scapula. Klinisch ist sie während der Elevation durch eine fehlende Aufwärtsrotation, eine fehlende Außenrotation (AR) und eine fehlende posteriore Kippung (posterior tilt) gekennzeichnet.
Veränderungen dieser dreidimensionalen Bewegung der Scapula könnten durch die resultierende Annäherung des Acromeons an den Humeruskopf mit einer Verengung des subacromialen Raumes zu einem sekundären Impingement führen oder aufgrund der unphysiologischen Belastung von Binnenstrukturen der Schulter die Heilung von Entzündungen negativ beeinflussen. Studien konnten mittels eines elektromagnetischem motion capture system nachweisen, dass Patienten mit einer Impingement-Symptomatik eine verminderte AR der Scapula und einem erhöhten Tonus des M. trapezius descendens aufweisen (Lopes et al. 2014). Ob Scapuladyskinesien tatsächlich die Ursache oder das Resultat einer Schulterpathologie sind, ist bisher nicht wissenschaftlich belegt.
Insgesamt können vier Scapuladyskinesien unterschieden werden:
Der Inferior Angle Typ (1) mit einer Prominenz des Angulus inferior nach dorsal, der Medial Border Pattern Typ (2) mit der Prominenz des medialen Scapularandes nach dorsal und der Superior Border Pattern Typ (3) mit einem angehobenen superioren Scapularand, der nach anterior verschoben ist (anterior tilt), und mit einer Hyperaktivität des M. trapezius pars descendens einher geht. Typ 4 beschreibt die hängende Scapula.
Ursachen für eine Scapuladyskinesie können sowohl neurologische Faktoren, Gelenkstörungen wie Labrumläsionen, glenohumerale- oder acromeoclavikuläre Instabilitäten oder Rotatorenmanchetten-Läsionen sein. Knöcherne Strukturen wie eine vermehrte BWS-Kyphose, muskuläre Strukturen wie eine schwäche bestimmter Muskeln, Inflexibilität (z.B. Glenohumeral Internal Rotation Deficit) oder Störungen der kinetischen Kette könnten ebenfalls Ursache einer Scapuladyskinesie sein.
Das klinische Bild einer Scapuladyskinesie ist bei der Elevation des Armes durch ein Abheben des medialen, inferioren Scapularandes gekennzeichnet. Die Untersuchung der Scapula sollte allerdings nicht nur visuell erfolgen, sondern ebenfalls umliegende Strukturen und spezielle Funktionstests mit beinhalten. Hierzu eignen sich der Scapula assistance Test (SAT) und der Scapular-Retraction/ Reposition-Test (SRT). Beim SAT wird die Scapula bei der glenohumeralen Abduktion manuell am Thorax stabilisiert und somit die muskuläre Insuffizienz kompensiert. Dies führt zu einem erweiterten Bewegungsausmaß und zu einer Schmerzlinderung. Bei einem positiven Impingement-Test (Bsp.Empty-Can-Test) , wird beim SRT die Scapula manuell in Retraktion, AR mit einem posterioren tilt gebracht und der Test erneut durchgeführt. Hier zeigt sich häufig eine vermehrte Kraft der Rotatorenmanchette.
Zusätzlich können der Sitting Hand press-up test (Abstandsmessung des posteriorisierten medialen Scapularandes in Stützposition) und der Lateral Scapular slide Test (Abstandsmessung Angulus inferior zur Wirbelsäule) in Ruhepostion, mit Stütz in der Taille und in 90° glenohumeraler Abduktion zur Quantifizierung herangezogen werden.
Literatur:
Kopkow C, Dexel J, Kasten P, Skapuladyskinesie und Therapiestrategie. PT. 2015; 9:10-16.
Kopkow C, Dexel J, Kasten P, Pathomechanismus, Diagnostik und Therapie der Scapuladyskinesie beim Wurfsportler. Dtsch Z Sportmed. 2013; 64:267-272.
Lopes AD, Timmons MK, Grover M, Ciconelli RM, Michener LA. Visual scapular dyskinesis: kinematics and muscle activity alterations in patients with subacromial impingement syndrome. Arch Phys Med Rehabil. 2015;96(2):298-306.
Magosch P, Lichtenberg S, Loew M, Tauber M, Habermeyer P. Die Klinische Untersuchung der Schulter. Dtsch Z Sportmed. 2013; 64 (12): 372-379.