Patienten mit segmentaler Hypermobilität oder Instabilitäten in der Halswirbelsäule (HWS) sind in unserem Praxisalltag keine Seltenheit. Bei diesen Patienten liegt meist eine Reduzierung der Kraft und Ausdauer der zervikalen- und kraniozervikalen Flexoren vor. Dysfunktionen und schmerzhafte Zustände im HWS Bereich können ebenso zu diesem Umstand und somit zu einer geringeren Stabilität der HWS führen.
Um dies zu behandeln sind unter anderem Übungen zur Kräftigung und Verbesserung der Ausdauer der tiefen Nackenflexoren nötig. In den MT Zertifikatskursen nach dem Kaltenborn-Evjenth-Konzept wird dafür u.a. die spezifische segmentale Stabilisierung gelehrt. Der Nachteil dieser Behandlungsmethode ist, dass es schwierig ist, die Kraft der Muskeln bei Behandlungsbeginn, deren Kräftigung im Verlauf und bei Behandlungsende zu quantifizieren bzw. objektiv zu messen.
Innerhalb des Master Studienganges an der Donau Universität Krems wurde uns von einem unserer Dozenten eine weitere Möglichkeit zum testen und behandeln der zervikalen- und kraniozervikalen Flexoren vorgestellt. Der Kranio-Cervikale-Flexionstest von Gwendolyn Jull. Dieser ist einfach durchführbar und hat den Vorteil, objektive und quantifizierbare Messdaten zu Behandlungsbeginn und im Verlauf zu erheben. Des Weiteren kann der Test im Anschluss als Training genutzt werden.
Der Test und das Training können mit einem Pressure Bio-Feedback (PBF-Gerät) durchgeführt werden. Die preiswertere Variante zu diesem Gerät und ebenso gut zu handhaben ist ein gewöhnliches Blutdruck Schlauchmessgerät. Im Folgenden beschreibe ich sowohl den Test, als auch das Training der tiefen Nackenflexoren. Der Test wird in zwei Stufen durchgeführt.
Ausgangsposition
Die Testperson befindet sich in Rückenlage mit angestellten Beinen. Die HWS befindet sich in einer neutralen Position, d.h. die gesamte HWS befindet sich in Mittelstellung und die Gesichtslinie ist horizontal.
Ist keine neutrale Haltung der HWS möglich, kann diese mit Handtüchern unterlagert und somit angepasst werden. Allerdings sollte die obere HWS dabei immer frei bleiben.
Vorbereitung des PBF-Gerätes / Blutdruckgerätes
Das Kissen unter die obere HWS legen und das Kissen auf 20mmHG aufpumpen und darauf achten, dass dieser Druck dabei stabil bleibt. Vor Beginn des Tests noch einmal die richtige Lage des Kissens überprüfen.
Erste Stufe des Tests: Kranio-Cervikale Flexionsbewegung
Der Patient soll eine Flexionsbewegung zw. C0 und C1 ausführen. Für eine saubere Ausführung bei dem Test, sollte die Bewegung vorher geübt werden. Wichtig ist es vor Beginn den Patienten darauf hinzuweisen, dass es bei der Ausführung um Präzision und nicht um Kraft geht und die Ausführung langsam erfolgen soll. Der Proband soll die Zunge am Gaumendach anlegen und das Kiefergelenk bleibt entspannt.
Nun soll der Patient den Druck nach und nach erst auf 22mmHG und dann weiter auf 24, 26, 28 bis 30mmHG erhöhen. Während des Tests sollte immer auf mögliche Ausweichbewegungen geachtet werden. Dazu zählt auch, dass eine übermäßige Benutzung des M. sternocleido-mastoideus und der Scaleni vermieden werden sollte.
Zweite Stufe des Tests: Testen der Ausdauerfähigkeit der tiefen Nackenflexoren
Das Gerät wird wieder auf 20mmHG eingestellt, dabei soll der Patient selber die Anzeige lesen. Nun soll der Druck auf 22mmHG erhöht und für 10 Sekunden gehalten werden. Dieser Test wird für 24,26,28 bis 30mmHG wiederholt. Wenn bei einer Stufe Ausweichbewegungen auftreten, sollte wieder auf der vorherigen Stufe trainiert werden. Zu Beginn sollte der Patient 10 Wiederholungen mit einer Haltezeit von 10 Sekunden durchführen.
Durchschnittlich dauert es 6-10 Wochen bis ein gutes Resultat bei erneuter Testung zu erwarten ist. Laut Gwendolyn Jull gilt es als normal, wenn die zu testende Person bzw. der Patient einen Druck von 26mmHG für 10×10 Sekunden halten kann.
Mit ein bisschen Übung lassen sich der Test und auch das Training schnell in die Behandlung integrieren. Ebenfalls bietet es Euch die Möglichkeit dem Patienten eine einfache und effektive Heimübung mitzugeben. Ich wünsche Euch viel Spaß beim Ausprobieren.