Im letzten Blogbeitrag habe ich einiges zum KISS Syndrom geschrieben und schon angedeutet, noch etwas zur Helmtherapie zu sagen. Die Helmtherapie wird bei Kindern mit einer Deformation des Kopfs eingesetzt. Die häufigsten Abweichungen sind der Plagiocephalus (einseitige Abflachung) und der Brachocephalus (Abflachung des gesamten Hinterkopfs).
Das Thema Helmtherapie scheint mir ein wenig problematisch. Die Gegner der Helmtherapie äußern sich ziemlich vehement und scheinen zu berfürchten, dass in Kinderarztpraxen jedes Baby mit einem etwas schief geratenen Köpfchen einen Helm übergestülpt bekommt. Berlin wurde auf einem Kongress über manuelle Medizin bei Kindern sogar als Hochburg der Helmtherapie abgestempelt.
Sehr konstruktiv war ein Vortrag von Frau Dr. Regelsberger vom Universitätsklinikum Eppendorf auf diesem Kongress. Die Vorgehensweise der Klinik Eppendorf stimmt weitestgehend überein mit der des Craniozentrums in Berlin. Das Craniozentrum hat Niederlassungen in verschiedenen Städten in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Sie arbeiten alle nach den gleichen Kriterien und tauschen ihre Ergebnisse aus.
Die standarisierte Vorgehensweise bei den Zentren und Kliniken sieht vor, den Kopf dreidimensional, ohne Röntgen, zu vermessen. Mit diesen Daten werden Berechnungen erstellt, aufgrund derer die Abweichungen eingestuft werden.
Viele Babys verlassen die Beratung ohne eine Helmempfehlung. Die Asymmetrie ist zu gering, als dass ein Helm für notwendig gehalten wird. Wenn die Eltern in diesem Fall aus kosmetischen Gründe einen Helm möchten, müssen sie ihn selbst bezahlen.
Dann gibt es die Gruppe der Kann-Babys. Die Asymmetrie ist noch moderat aber der Kopf ist deutlich windschief und Gesichtsasymmetrien sind auffällig. Der Hauptgrund zur Helmempfehlung ist zwar auch kosmetisch, bleibende Abweichungen können aufgrund einer deutlichen Gesichtsasymmetrie psychische Folgen nach sich ziehen. Es liegt dann im Ermessen der Krankenkasse, ob sie die Helmtherapie bezahlt.
Bei einer weiteren Gruppe wird die Helmtherapie dringend empfohlen, um Folgen am Kiefergelenk oder den Nasennebenhöhlen zu vermeiden. Auch psychische Folgen können durch die starke Asymmetrie zu erwarten sein. Hier übernehmen die Krankenkassen die Kosten.
Wie wirkt die Helmtherapie?
Der Helm ist so gebaut, dass der abgeflachte Bereich der Schädelplatte keinen Druck bekommt und zu keiner Zeit aufliegt, sodass die abgeflachte Seite schneller nachwächst und den Raum der im Helm gelassen wird, ausfüllt. Nicht mehr und nicht weniger. Der Erfolg ist maßgeblich abhängig von einer guten Diagnostik. Es soll festgestellt werden, ob keine Synostosen vorliegen. Dies bedeutet, dass die Strukturen knöcherig verschlossen sind und hier die Helmtherapie keinen Einfluss hat. Syostosen sind eher selten. Weiterhin ist der Erfolg abhänig von der Tragezeit. Der Helm soll über mehrere Monaten für 23 Stunden am Tag getragen werden.
Da der Helm die Ursache des Plagiocephalus nicht behandelt, soll geprüft werden, ob die ursprüngliche mechanische Störung und muskuläre Dysbalance die zur asymmetrischen Haltung und der Deformation des Kopfs geführt haben, noch vorhanden sind. Wenn ja bedeutet dies, dass die Helmtherapie nicht die einzige Therapie sein darf. Es soll wie bei allen KISS Kindern therapiert werden, so wie im letzten Blogbeitrag beschrieben. Mit Manueller Therapie sollen die mechanische Einschränkung der Kopfgelenke behoben und eventuell entstande Muskeldysbalancen ausgeglichen werden. Wenn es aufgrund länger bestehender einseitiger Wahrnehmung und Entwicklung der Muskulatur zu motorischen Verzögerungen gekommen ist, können Therapien wie die Bobaththerapie den Kleinen auf die Sprünge helfen.
Ich sehe die Helmtherapie als eine gute Ergänzung, wenn die Asymmetrie ausgeprägt ist. Für manche Kinder (und ihre Eltern) die ich kennengelernt habe, war es ein Segen diesen Helm zu haben. Und über die Belastung für ihr Kind können sich die Eltern getrost beruhigen. Die Kinder sind fröhlich und neugierig unterwegs wie ihre Altersgenossen. Sie zeigen keine Verzögerung in ihrer motorischen Entwicklung. Gelegentlich kam es, gerade im Sommer, zu Hautirritationen. Die Eltern sollen nur bei eventuellen Druckstellen sofort das Zentrum zur Ausbesserung des Helms aufsuchen.
Ich habe die Erfahrung gemacht, dass im Craniozentrum in Berlin die Eltern sehr verständnisvoll und zurückhaltend beraten werden (Erstberatung ist gratis). Wichtig ist, dass abgeklärt wird, ob keine Synostosen vorliegen (vorzeitiges Schließen der Suturen), die die Asymmetrie hervorrufen. Hier würde ein Helm nicht zu den gewünschten Resultaten führen.
Bei einer Brachocephalie (Abflachung des gesamten Hinterkopfs) sind die Resultate nicht so gut wie bei einer Plagiocephalie, da es schwieriger ist, eine gute Passform für den Helm hinzubekommen.
Noch ein Wörtchen zum richtigen Zeitpunkt: In ihrer Broschüre rät das Craniozentum zum Beginn der Helmtherapie im 4. Monat, da dann die Verbesserungen rasch eintreten. Dies stimmt insofern, als dass der Kopf in den nächsten Monaten noch stark wächst. Die Aussage, dass es nach dem 5. Monat zu keiner Spontanverbesserung mehr kommt, kann ich nicht bestätigen. Klar ist, dass das Wachstum des Kopfs ab 8 Monaten weniger wird und mit 12 Monaten die Suturen verzahen, sodass es dann schwieriger wird, gute Resultate zu erzielen. Bis zum 6. Monat kann man aber abwarten, außer die Asymmetrie ist stark und schnell progredient.
Als Manualtherapeuten werden wir oft diejenigen sein, die von den Eltern um Rat gebeten werden. Da tun wir gut daran, uns umfassend zu informieren. Das Craniozentrum ist sehr offen für Gespräche mit Therapeuten uns übersendet Infomaterial. Manche Eltern soll aber auch Mut gemacht werden, die Zeit etwas für sich wirken zu lassen, die Haare wachsen ja auch noch!
Else