Ausbalancieren von physiotherapeutischen „hands on“ und „hands off“ Interventionen bei der Behandlung von Patienten mit dominanter zentraler Sensitivierung bei Osteoarthritis.
(Balancing „hands-on“ with „hand-off“ physical therapy interventions fort he treatment of central sensitization pain in osteoarthritis)
In einem Beitrag in der Manual Therapy 20 (2015) geht das Autorenteam der „Pain in Motion Group“ Belgien, E. Lluch Girbes, M. Meeus, I. Baert und J. Nijs, der Frage nach, welche Interventionen bei Patienten mit schmerzhafter chronischer Osteoarthritis (OA) sinnvoll sind. Die Autoren gehen von dem traditionellen Behandlungsmanagement dieser Patienten aus, welches sie in medikamentösen und nicht-medikamentösen Interventionen, wie Physiotherapie, beschreiben. Dabei unterstellen sie, dass die Therapeuten in ihrem Schmerzverständnis eher in dem klassischen biomedizinischen Schmerzmodel beheimatet sind. Dieses klassische Model bedeutet, dass es eine direkte Verbindung zwischen der lokalen Gewebeschädigung und der Schmerzintensität des Patienten gibt.
Ausgehend von dem biomedizinischen Model sollte es durch die Therapie zu einer Reduktion oder einem kompletten Verschwinden der Symptome kommen und zu einer Wiederherstellung der normalen Funktion. Doch der Schmerz bei OA befolgt nicht immer diesem biomedizinische Model. Häufig kann man bei Patienten eine Diskrepanz zwischen den zerstörten Gelenkstruktur und der Intensität der Symptome sehen. Zusammengefasst wird die unterschiedliche lokale Therapie nicht immer zu einer Verbesserung oder kompletten Auflösung der Symptome führen.
Die aktuellen Aussagen konstatieren, dass eine gesteigerte zentrale Sensitivität (central sensitization CS) bei einem bestimmten Anteil der OA-Patienten den dominante Schmerzmechanismus darstellt. Die Erkenntnis der verschiedenen Schmerzmechanismen bei OA-Patienten führt dazu, dass eine auf das Problem zugeschnittene praktikable Interventionen zu verbesserten Ergebnissen führt. Deshalb sollte bei Patienten mit CS ein zusätzlicher therapeutischer Ansatz, welcher zu einer Desensibilisierung des zentralen Nervensystems führt, hinzugenommen werden.
Das Gehirn anvisieren ohne das Gelenk bei der Behandlung von Patienten mit zentraler Sensitivierung (CS) bei Osteoarthrits zu ignorieren.
Die Gefahr besteht, dass angesichts der Beweislage bezüglich der Rolle von CS, Therapeuten sich zu weit weg vom biomedizinischen Schmerzmodel bewegen könnten. Ebenso ist der psychosoziale Faktor bei OA zu beachten, welcher dazu führen könnte, dass es sich bloß um diesen dreht. All dies könnte dazu führen, dass der therapeutische Ansatz ausschließlich in einer „hands off“ Intervention liegt, mit wenig bis keiner Rücksichtsname der biologischen Besonderheiten. CS bei der Osteoarthritis geht mit einer peripheren Gelenkpathologie einher, welche die Wichtigkeit betont, dass der periphere nozizeptive Input durch lokal verabreichte Intervention wie Manuelle Therapie, zumindest kurzfristig, reduziert werden kann. Deshalb empfehlen die Autoren, den therapeutischen „hand on“ Ansatz bei o.g. Patienten nicht komplett zu vernachlässigen und ein Gleichgewicht zwischen den beiden Behandlungsstrategien, „hand on“ und „hand off“, zu erreichen. Muskuloskelettale Therapeuten haben wahrscheinlich die beste Voraussetzung für einen individuellen und kombinierten Behandlungsansatz dieser Patienten, da sie für beide Interventionen, der „hand on“ und der „hand off“ Intervention, zuständig sind.
Es wird für einen gleichzeitigen „hand off“ und „hand on“ Therapieansatz geworben. Für den „hand off“ Ansatz werben die Autoren die „pain neuroscience education“ (PNE), welche einen besseren Effekt bei den chronischen dominanten Schmerzpatienten als der biomedizinische Ansatz, der im ungünstigsten Fall die Symptome noch steigern könnte. Der PNE Ansatz, welcher von Physiotherapeuten entwickelt wurde, hat als Ziel die zentrale Sensitivierung (CS) zu desensibilisieren. Der Nutzen von PNE weißt eine hohe Evidenz auf und scheint eine noch höhere Effektivität in Kombination mit weiteren physiotherapeutischen Interventionen zu haben. Auch wird auf das Problem von „widersprüchlichen“ Botschaften eingegangen, welche vor allem im sprachlichen und praktischen Umfeld der klassischen Behandlungsstrategie vorkommt. Schon allein die Frage nach Schmerzen kann eine zusätzliche negative Wirkung bezüglich des Schmerzempfindens auslösen. Vielmehr wird empfohlen von Symptomen zu sprechen. Mehrere Beispiele diesbezüglich ist in dem Beitrag zu finden. Auch die Frage was an erster Stelle der Interventionen steht wird angesprochen. Hierbei verweisen die Autoren, dass an erster Stelle die Edukation der Patienten steht um zuerst eine Desensibilisierung zu erreichen. Auch werden Grenzen dieses therapeutischen Ansatzes diskutiert, vor allem wenn Grenzen der Wahrnehmung und Bildungsbarrieren vorliegen. Um Beispiele der Vorgehensweise von PNE zu erhalten verweisen sie auf die Internetseite der „PainInMotion“ Gruppe in Belgien (www.paininmotion.be) .
Matthias Zöller