…ist eine weitverbreitete muskuloskelettale Erkrankung, mit der Manualtherapeuten immer wieder zu tun haben. Im folgenden Beitrag geht es um die überraschenden Ergebnisse einer aktuellen polnischen Studie: Der therapeutische Ansatz zur Behandlung einer Frozen Shoulder könnte dadurch ergänzt und verbessert werden. Zunächst findet Ihr aber einige Fakten zum Krankheitsbild.
Insgesamt sind 2-5 % der Bevölkerung zwischen dem 40. und 65. Lebensjahr von einer Frozen Shoulder betroffen, der Anteil der Frauen überwiegt mit 58%. Sitzende Tätigkeit und Diabetes erhöhen das Risiko zu erkranken. Eine Frozen Shoulder kann als primäres Krankheitsbild auftreten – also ohne eine Vorgeschichte – oder auch sekundär, beispielweise nach Humerusfrakturen, Schlaganfall oder Arthrose. Nicht selten beginnt die Symptomatik auf einer Seite, später treten dann Symptome auch an der kontralateralen Schulter auf.
Es werden folgende Phasen unterschieden:
1. Phase Entzündung ca.10 Wo 2. Phase Freezing 10-26 Wo 3. Phase Frozen 5-12 Mo 4. Phase Lösen > 1 Jahr
• In der 1.Phase liegt eine Hypervaskularisierung und Synovitis im Bereich der Kapsel vor. Anhaltender Ruheschmerz und stechender Schmerz bei Bewegung kennzeichnen dieses Stadium. Die Patienten können nicht auf der betroffenen Seite schlafen. Behandlungsziel: Unterbrechung von Schmerzkreislauf und Entzündung.
• In der 2. Phase nehmen die Bewegungseinschränkungen im Schultergelenk zu. Die frühzeitigen Adhäsionen führen in der Folge zur Kontraktur der Gelenkkapsel. Die Schmerzsymptomatik hält an.
Behandlungsziel: Wiederherstellen der normalen Gelenkfunktion und biomechanischen Verhältnisse zusätzlich zu schmerzlindernden und entzündungshemmenden Maßnahmen.
• In der 3. Phase nimmt die Hypervaskularisierung ab, die Schmerzsymptomatik ist rückläufig, die Gelenkbeweglichkeit ist stark eingeschränkt.
Behandlungsziel: Intensive Gelenkmobilisation und Erreichen der vollständigen Schultergelenksfunktion.
• In der 4. Phase setzt sich der Prozess weiter fort.
Behandlungspraxis: Alles beginnt mit der physiotherapeutischen Befundaufnahme. Der Manualtherapeut untersucht, welcher Gewebemechanismus dominant vorliegt und leitet in Absprache mit dem Patienten die entsprechenden Maßnahmen ein. Dazu gehören: Schmerzlinderung des Muskel/Gelenkkomplexes, Mobilisation verkürzter Strukturen unter Berücksichtigung angrenzender Gelenke und der Wirbelsäulenabschnitte, sowie Medizinische Trainingstherapie, Aufklärung und Anleitung zu Hausübungen.
Wir Manualtherapeuten arbeiten bei einer Frozen Shoulder häufig „strukturorientiert“, das heißt mit lokalen Maßnahmen am Schultergelenkkomplex und den angrenzenden Wirbelsäulenabschnitten.
Ein Team von Physiotherapeuten aus Krakau hat einen anderen Ansatz verfolgt. Sie führten eine randomisierte kontrollierte Studie durch und verglichen Manuelle Therapie & PNF mit einem „aktivitätsorientierten“ Ansatz.
Die Hypothese für diesen Ansatz liegt darin, dass der erlernte „Nicht Gebrauch“ der Extremität nur durch ein entsprechendes Training der Alltagsfunktionen – mit Hilfe des dafür notwendigen Lernprozesses – rückgängig gemacht werden kann. Kurz: Die Frozen Shoulder muss aktiviert werden, orientiert an Aufgaben des täglichen Lebens.
Folgende Aktivitäten wurden geübt:
1. An/ Auskleiden eines T-Shirts
2. Überkopfbewegung: Schließen einer Kette im Nacken
3. Rückführen des Armes wie beim Schließen eines BH im Rücken
4. Anheben eines Gegenstandes einhändig und
5. Anheben eines Gewichtes beidhändig
Die Übungen wurden unter Anleitung und Instruktion eines Therapeuten durchgeführt, damit die Aktivität schmerzarm und kontrolliert ablaufen konnte. Die Vergleichsgruppe erhielt Manuelle Therapie und PNF durch geschulte Therapeuten. Es wurden 10 Therapieeinheiten in beiden Gruppen durchgeführt, insgesamt wurden die Daten von 66 Patienten im Anschluss an die Interventionen ausgewertet.
Das Ergebnis war erstaunlich: Die „aktivitätsorientierte“ Gruppe verbesserte sich signifikant im Vergleich zur „strukturorientierten“ Gruppe. Die Verbesserungen zeigten sich konkret an den Outcomes Schmerz, Alltagsbewegungen (Heben einhändig und beidhändig), an den Rotationsbewegungen des Schultergelenks, sowie den Kraftwerten einiger Muskelgruppen.
Fazit: Es ist eine effektive Behandlungsstrategie für Patienten mit Frozen Shoulder, wenn sie ein aufgabenorientiertes Training von Alltagsbewegungen absolvieren, das gleichzeitig schmerzarm durchgeführt wird.
Und für uns Manualtherapeuten: Eventuell ist es noch effektiver, wenn solch ein aufgabenorientiertes, schmerzarmes Training zusätzlich zu Manueller Therapie durchgeführt wird!
Mehr zum Thema Effektivität von Manueller Therapie und Physiotherapie bei Frozen Shoulder sind in zwei Cochrane Reviews von 2014 nachzulesen.
Literatur:
Struyf F. und Meeus M., 2013 Current evidence on physical therapy in patients with adhesive capsulitis: what are we missing? Clin. Rheumatol. Dec 28
Horst R, Maicki T, Trabka R, Albrecht S, Schmidt K, Metel S, Von Piekartz H. Activity-vs. structural-orientated treatment approach for frozen shoulder: a randomized controlled trial. Clinical Rehabilitation 2017, Vol 31 (5) 686-695