Die koordinierte Kopf-Augen Bewegung ist häufig bei chronischen HWS Patienten, insbesondere nach Schleudertraumen, verändert. Deshalb ist es bei diesen Patienten ratsam, auch die Augenbewegung im Verhältnis zur HWS Haltung bzw. die Blickstabilität bei HWS Bewegungen zu testen.
In ihrem Artikel:
„Head-Eye movement control tests in Patients with chronic neck pain; Inter-observer reliability and discriminative validity“ (publiziert in: BMC Musculoskeletal Disorders 2014, 15:16)“
stellt das Team der Schweizer Physiotherapeuteninnen und -therapeuten um Eveline Della Casa und Jutta Affolter Helbling die Möglichkeit vor, dass visuelles testen von Kopf-Augen-Bewegungen als zuverlässige Test zu nutzen sind.
Sie untersuchten in einer teils verblindeten Studie folgende Bewegungstests:
- Augenbewegungen in einer neutralen Kopfhaltung.
- Augenbewegungen in 45 Grad relativer Nackenrotation beidseits.
- Blickstabilität bei Kopfdrehungen.
- Sequenzierte Kopf-Augenbewegungen.
Also insgesamt 5 Tests, welche im Sitzen und im Stehen untersucht und in ihrem Ergebnis verglichen wurden.
In ihrem Untersuchungsaufbau testeten sie die Patienten in einer Ecke eines Raumes, so dass die Probanden sich bei Unsicherheit schnell an der Wand festhalten konnten. Diese Ausgangstellung könnte bei der Umsetzung dieser Tests in der Praxis bzw. beim Koordinationstraining der Augen-Kopf Bewegung zu Hause gewählt werden. Sie markierten auf dem Boden eine Standfläche und markierten ebenso auf dem Hocker eine entsprechende Sitzfläche, so dass die Neutral- und Fünfundvierziggradstellung vorgegeben waren. Von der Raumecke aus wurde ein gleichseitiges Dreieck mit einer Schenkellänge von 1 m gemessen. Die Standfläche bzw. der Hocker befanden sich an der Spitze des Dreiecks, welche sich in der Ecke des Raumes befand. Auf den anderen beiden Ecken des Dreiecks standen zwei Styroporblöcke mit jeweils einem vertikal ausgerichtet Stab an dem sich ein variabler farbiger Marker befand. Die Kamera, zur Analyse der Augenbewegung, befand sich exakt in der Mitte des Dreiecks. Die Neutralstellung war so definiert, dass die Probanden aus der Ecke heraus direkt nach vorne in die Kamera blickten.
Von dieser Ausgangsstellung wurden folgende Tests durchgeführt und die Durchführung mit oben erwähnter Kamera gefilmt.
1.) Augenbewegung in neutraler Position:
Die Probanden saßen bzw. standen aufrecht nach vorne orientiert. Die Marker waren in Augenhöhe positioniert, ebenso die Kamera. Die Aufgabe lautete, die Augen 10 Sekunden so schnell wie möglich von Marker zu Marker zu bewegen und dabei den Kopf in der Neutralposition ruhig zu halten.
Die Beurteilungsskala war wie folgt definiert:
0 = negative: gleichmäßige, präzise, schnelle Augenbewegungen, schneller Wechsel der Blickrichtung, der Kopf bleibt stabil;
1 = moderat positiv: leichte irreguläre Augenbewegungen; kurze Stopps vor dem Richtungswechsel; der Kopf ist leicht instabil;
2 = deutlich positiv: Augenbewegungen sind klar langsamer oder irregulär; Verlängerte Aufrechterhaltung der Blickrichtung bevor der Richtungswechsel erfolgt; deutliche Kopfbewegungen; der Test kann nicht ausgeführt werden;
2.) Blickstabilität:
Der Proband wurde aufgefordert seinen Blick konstant nach vorne gerichtet auf die Kamera zu halten, während er seinen Kopf für 10 Sekunden so schnell und weit wie möglich nach rechts und links dreht.
Die Beurteilungsskala war ebenso von 0 bis 2 eingeteilt.
0 = negative: Blickstabil; gleichmäßige, koordinierte, präzise und schnelle Bewegungen des Kopfes; flüssiger Wechsel der Bewegungsrichtung des Kopfes;
1 = moderat positiv: Blickstabil; leichte irreguläre Kopfbewegungen;
2 = deutlich positiv: Blick mehrmals instabil; Kopfbewegungen langsam und irregulär;
3.) Sequenzierte Kopf und Augen Bewegung:
Die aufeinander folgende Kopf und Augenbewegung war wie folgt aufgebaut. Die Probanden wurden wieder im Sitzen und im Stehen getestet. Es wurde aus der Neutralposition gestartet. Die Probanden wurden aufgefordert zuerst die Augen zum rechten Marker zu bewegen während sie den Kopf still halten, anschließend sollten sie den Kopf in die gleiche Richtung nachdrehen, während sie die Augen still auf den Marker gerichtet halten. Aus dieser Position sollen sie, bei stillstehenden Kopf, die Augen zum linken Marker bewegen um dann in Folge den Kopf nach links bei Blickstabilität auf den linken Marker nach zu drehen – usw. .
Diese Bewegungen werden 10 Sekunden lang durchführen.
Die Beurteilungsskala wurde folgendermaßen definiert:
0 = negativ: klare, reguläre, gleichmäßige, unabhängige Bewegung von Kopf und Augen;
1 = moderat positiv: leichte verlangsamte Augenbewegung, gelegentlich assoziierte Augen-Kopf Bewegungen, der Kopf war instabil;
2 = deutlich positiv: klare verlangsamte, irreguläre und oft assoziierte Augen-Kopf Bewegungen; der Test wird als nicht durchführbar beschrieben;
- und 5.) Augenbewegung bei 45° relativer Nackenrotation nach rechts bzw. links.
Die Probanden saßen bzw. standen in 45° gedrehter Position zur Neutralposition der Blick war nach vorne auf die Kamera gerichtet. Bei dieser Ausgangsstellung war es notwendig, dass die Probanden diese Rotation in der HWS einstellen und halten konnten. Dann wurden sie aufgefordert in dieser Position die Augen so schnell wie möglich 10 Sekunden lang zwischen dem rechten und dem linken Marker hin und her zu bewegen.
Die Beurteilungsskala gleicht der Skala im ersten Test (siehe unter 1. Augenbewegungen in neutraler Position).
Im Anschluss der Testdurchführung bei 42 Probanden (23 Patienten mit unspezifischen chronischen Nackenschmerzen und 19 gesunde Kontrollpersonen) wurden die Videos der Probanden randomisiert und verblindet von zwei erfahrenen OMT Therapeuten entsprechend der Beurteilungsskalen ausgewertet.
Resultat:
Inter-Observer Reliabilität: Der „weighted kappa coefficient“ wK war perfekt bei drei Tests (wK > 0,8), beachtlich bei fünf Tests (wK 0.69 – 0.79) und moderat bei zwei Tests (wK 0.54 und 0.59)
Perfekt Tests:
Blickstabilitäts Test (Sitz); Sequentierte Kopf und Augenbewegung (Sitz); Augenbewegung in relativer Nackenrotation nach rechts (Stand).
Beachtliche (substantielle) Tests:
Augenbewegung in Neutralposition (Sitz/Stand), Augenbewegung in 45° Nackenrotation nach links (Sitz), Sequentierte Kopf und Augenbewegungen (Stand); Augenbewegung in 45° relativer Nackenrotation zur linken Seite (Stand).
Moderate (mittelmäßige) Tests:
Augenbewegung in 45° relativer Nackenrotation nach rechts (Sitzen); Blickstabilität (Stand).
Es gab keinen signifikanten Unterschied zwischen den Ergebnissen im Sitzen und im Stehen.
Der cut-off point wurde mit ≥ 2/5 empfohlen.
Diskriminative Validität: Im Durchschnitt waren drei von fünf Tests im Sitzen und im Stehen bei den Probanden mit chronischen Nackenschmerzen positiv. Bei den gesunden Kontrollpersonen war durchschnittlich nur ein Test der fünf positiv.
Insgesamt zeigt die Arbeit der Autoren, dass diese Kopf-Augen-Bewegungstests sehr brauchbare Tests darstellen, welche man gut und ohne großen Aufwand in die Praxis integrieren kann. Vor allem bedarf es keinen großen apparativen Aufwand.
Bei ihrer Zusammenfassung betonen die Autoren folgende Punkte:
- Visuelles Assessment von Kopf-Augen-Bewegung Kontrolltests durch Physiotherapeuten sind zuverlässig.
- Es existiert kein Unterschied zwischen den Tests im Sitzen oder im Stehen. Deshalb kann die Testbatterie auf fünf Tests reduziert werden. Die Autoren empfehlen die Durchführung im Sitzen.
- Die Tests sind in der Lage zwischen chronischen Nackenschmerzpatienten und gesunden Kontrollpersonen zu unterscheiden.
- Bei zwei oder mehr positiven Tests von insgesamt fünf Tests, kann die Kopf-Augen-Kontrolle als beeinträchtigt interpretiert werden.
Auch kann man diese beschriebenen Tests therapeutisch in die täglichen Arbeit einbeziehen und die Patienten anleiten, in dieser Weise ihre koordinativen Schwächen selbst zu trainieren.
Viel Spaß und Erfolg.
Matthias Zöller MSc