Ein Thema, das mich schon seit längerem beschäftigt ist die Arthrose. Eine Erkrankung, die laut WHO zu den „Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises“ gehört. Im täglichen klinischen Sprachgebrauch denkt keiner meiner Patienten, dass es sich bei der Diagnose „Arthrose“ um eine rheumatische Erkrankung handelt. Rheuma ist in der Vorstellung vieler Kliniker und Patienten mit der „rheumatoiden Arthritis“ verbunden. Also einer Erkrankung, bei der das eigene Immunsystem verrückt spielt und körpereigene Zellen angreift.
Auch mir erging es in den letzten Jahren immer wieder wie Kollegen und Patienten wenn ich das Thema im Unterricht behandelte. Eine „mechanisch“ bedingte Erkrankung wie Arthrose hat eigentlich nur durch ihre klinische Repräsentation etwas mit diesen Autoimmunerkrankungen zu tun. Ähnlich wie bei einem Auto spielen dort doch eher Faktoren des Verschleißes eine Rolle wie das Alter oder Übergewicht. Und doch blieb immer ein Zweifel. Auf der einen Hand werden Gewicht, Alter, biomechanische Verhältnisse und vorhergegangene Gelenkverletzungen als prädisponierende Faktoren von Studien mitgetragen, auf der anderen Hand entwickelt sich nicht bei allen Menschen mit diesen Faktoren eine Arthrose. Zudem ist die Therapieempfehlung in Stadien fehlender Arthritis ein dynamisches Training mit dem Ziel der Hypertrophie. Irgendetwas scheint sich dort doch offensichtlich zu beißen. Es muss noch mehr Faktoren geben, die eine Arthrose am Leben erhalten.
Während einiger Recherchen für meine Kurse über „Schmerzphysiologie“ bin ich einer Antwort etwas näher gekommen. Arthrose gehört mehr zu den rheumatischen Erkrankungen als ich es mir zuvor gedacht habe. Ein komplexes Zusammenspiel von Nerven, Immunsystem, Knorpel- und Synovialzellen hält eine andauernde Synovitis am Laufen, die mit einem Abbau von Kollagen und Proteoglykanen einhergeht. Der Abbau des Gelenkknorpels ist kein ausschließlich passiver Vorgang, sondern scheint durch das neuroimmunologische System gesteuert zu werden. Mittlerweile zeigen einige MRT Studien diese entzündliche Veränderung der Gelenkkapsel. Meist ist diese wesentlich unterschwelliger als bei der rheumatoiden Arthritis, aber nachweisbar. Im Beispiel Arthrose findet eine perfekte Symbiose zwischen verschiedenen Theorien und Erkenntnissen der letzten Jahre statt.
Es ist die Symbiose der Zivilisationserkrankungen (Depressionen, Neurodermitis, Darmerkrankungen, Gicht, Adipositas, Herz- und Gefäßerkrankungen), der Theorie der „chronischen systemischen Low-grade Entzündungen“, der Wirkungsweise des „Toll-like receptors 4“ auf Monozyten, Makrophagen, Mastzellen, B-Lymphozyten oder Astrozyten und der neuroimmunologischen Interaktion von Nerven mit dem Immunsystem.
Das Krankheitsbild der Arthrose ist für das Aufzeigen dieser Zusammenhänge meiner Meinung nach besonders gut geeignet.