Traktion ist als Behandlungstechnik in der Manuellen Therapie weit verbreitet, vor allem wenn die Vermutung besteht, dass eine Einengung der Nervenwurzel in dem Foramina Intervertebrale, an den Symptomen des Patienten beteiligt ist. Vor allem, wenn dieser Engpass durch eine Protrusion oder einen Prolaps verursacht wurde, wird Traktion angewendet. Auch in der Manuellen Therapie nach Kaltenborn-Evjenth wird so verfahren.
In einer Befragung zur Anwendung von Traktion von viertausend Physiotherapeuten in den USA, veröffentlicht in J. orthop. Sports Ther. aus 03.2017, antworteten tausend Befragte. 76,6% gaben an, Traktion zu nutzen, bei Therapeuten mit einer orthopädische Weiterbildung sogar 88%. Davon gaben 93% an, die Technik bei Patienten mit eine Wurzelkompression anzuwenden.
Auch ich stelle in der Praxis fest, dass bei einer Mehrheit von Patienten mit einer Radikulopathie Traktion symptomlindernd wirkt. Aber auch nur dann, wenn die Intensität und die Länge der Traktion an die Irritierbarkeit der Symptome angepasst ist.
In der akuten Phase, in den ersten Tagen nach der Bandscheibenverletzung, lässt die anfängliche Entlastung schnell nach, die Traktion verstärkt manchmal den Schmerz.
Isolierte Studien zur Wirksamkeit der Traktion sind rar. In den Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (2017-2020) zur konservativen Behandlung von (zervikalen) Radikulopathien wird auf Metastudien hingewiesen, die eine Kombination von verschiedenen Therapieansätzen empfehlen. Insbesondere in neueren Studien (Boyles 2011, Bukhau 2016) wird die Kombination von Traktion mit segmentaler Mobilisation und Übungstherapie in den Leitlinien empfohlen.
Die Empfehlungen und die Erfahrung, die eigene und die von Kollegen, sprechen für die Anwendung der Traktion. Damit ist aber die Wirkungsweise noch nicht geklärt. Allgemein wird angenommen, dass die Druckabnahme in der Bandscheibe bei der Traktion sich positiv auf die Kompression der Nervenwurzel auswirkt.
Die Studienlage dazu ist nicht eindeutig.
Im Buch Biomechanik der Wirbelsäule von Klein und Sommerfeld sind verschiedene Studien zu diesen Thema aufgeführt und zusammengefasst.
Der Intradiscale Druck wird weitgehend durch den Wassergehalt bedingt. Das Ausmaß an Dehydration und Rehydration und damit der intradiscale Druck wechselt bei verschiedenen Haltungen und damit auch im Tag/Nacht Ablauf.
Wie verhält sich aber der Discus wenn Kompression und Traktion ausgeübt werden?
Bei einer axialen Belastung (Kompression) erhöht sich der Druck im Nucleus, dieser führt dazu, dass die Anulusfasern mehr unter Zug kommen. Bei einem intakten Discus kommt es dabei nicht zu einer übermäßigen Vorwölbung. Verliert der Nucleus Wasser, kommen die Fasern im Anulus unter Druckspannung. Die Vorwölbung wird größer und es kommt zu einem Strukturverlust in den Lamellen. Alter, langhaltender Druck und Belastungsgeschwindigkeit sind einige Faktoren, die negativ einwirken. Im Segment geht diese Dehydratation mit einem Höhenverlust zusammen.
Kann Traktion das umgekehrte Bewirken?
Die Idee, dass Traktion Bandscheibegewebe zurücksaugen kann, wie einst von Cyriax erwähnt, kann nicht belegt werden, obwohl in einer Studie von Onel et al in 89 dieser Effekt bei mehreren Patienten, mit medianen Vorfälle unter CT beobachten konnten.
Eindeutig ist in Studien festgehalten, dass die Traktion zu einem Höhengewinn im Wirbelsäulesegment führt.
Über eine Abnahme des intradiscalen Drucks bestehen unterschiedliche Meinungen, von leichter Druckabnahme bis zu leichter Druckzunahme, die über Muskelanspannung erklärt werden könnte.
Zusammenfassend kann man sagen, dass die erreichte Druckabnahme nicht größer ist, als die die beim Hinlegen eintritt. Die Abnahme der Beschwerden lässt sich damit am ehesten über die Raumfreiheit für den Nervenwurzel durch den Höhengewinn bei der Traktion erklären.