oder doch lieber moderat? Diese Frage stellt sich regelmäßig im klinischen Alltag, und insbesondere dann, wenn es um schwerwiegende Pathologien geht, wie beispielsweise Tumorerkrankungen. Was sind relevante Kriterien im Entscheidungsprozess der Trainingsdosierung und was ist die Wirkung eines effizienten Ausdauertrainings bei Krebspatienten?
Es geht um die Linderung von Nebenwirkungen der Tumortherapie. Dies sind insbesondere reduzierte körperliche Leistungsfähigkeit, aber auch Fatigue und Polyneuropathie.
Strukturiertes körperliches Training wird explizit empfohlen, um die vielfältigen Symptome positiv zu beeinflussen. Der Status der Evidenz solcher Empfehlungen wird derzeit systematisch erhoben. Dies ist nachzulesen als Neuanmeldung der S3-Leitlinie Bewegungstherapie bei onkologischen Erkrankungen mit geplanter Fertigstellung 31.12.2024 https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/032-058OL.
Die Studienlage für die Fragestellung wird darin als hochgradig positiv bewertet, und ermöglicht medizinischem Personal zukünftig die notwendige Sicherheit in der Betreuung und Beratung ihrer Patienten.
Die Thematik ist umso relevanter, da aufgrund der stetig wachsenden Therapieoptionen dankenswerterweise die Überlebensrate bei Krebserkrankungen ansteigt. Und damit verbunden steigt auch der Anspruch an eine dem Gesundheitszustand angepasste bestmögliche Lebensqualität.
Ein wichtiger Aspekt bei der Durchführung von regelmäßigem Training ist der Zeitaufwand. Die zeitsparendste Trainingsmethode zur Verbesserung der kardiometabolischen und -respiratorischen Fitness ist das Hochintensive Intervalltraining (HIIT). Das Interesse an HIIT in der sportwissenschaftlichen Literatur ist groß, HIIT hat längst Einzug gehalten im Fitness- und Freizeitsport. Sogar die Frage, ob es geschlechterspezifische Unterschiede bei den Anpassungsmechanismen an HIIT gibt, kann mittlerweile beantwortet werden. Denn trotz Verschiebung von Stoffwechselprozessen im Zusammenhang mit unterschiedlichen Hormonkonzentrationen wird die Wirkung von HIIT bei Frauen als nahezu identisch und als ebenso effektiv eingeschätzt wie bei Männern (Zinner C., 2022).
Fazit: HIIT eignet sich zur Verbesserung der kardiorespiratorischen Fitness von Krebspatienten (Bauer et al. 2022). Voraussetzung für die sichere und wirksame Anwendung von HIIT in der Onkologie ist der Abschluss der Tumortherapie.
Folgende Protokolle in der Anwendung von HIIT sind durch Studien belegt:
Protokoll | Frequenz | Intensität | Intervalle | Trainingsdauer | Modalitäten |
4 x 4 Schema | 1-3x /Woche | 85-95% HR peak | 4 x 4 min Belastung mit 3 min aktiver Pause zwischen den Intervallen | Total = 35-38 minHIIT = 25 minWarm-up = 3-15 minCool-down = 2-3 min | ErgometerLaufband |
10 x 1 Schema | 2-3x/Woche | 95% HR peak | 8-10 min Belastung mit 1-2 min aktiver Pause zwischen den Intervallen | Total = 28-39 minHIIT = 20-22 minWarm-up = 3-15 minCool-down = 2-3 min | ErgometerLaufband |
Die Vorteile von HIIT zeigen sich außerhalb von Rehabilitation und Fitnessstudios auch im Kontext verschiedener Lebensbereiche.
Bei Alltagsaktivitäten in Freizeit und Beruf beispielsweise hat höher-intensive Bewegung einen zusätzlichen Gesundheitsvorteil gegenüber allein moderater Bewegung über den ganzen Tag verteilt. Sie weist das beste Aufwand-Nutzen-Verhältnis pro Zeiteinheit auf. Das Potential dieser wissenschaftlichen Erkenntnis ist groß und zielt auf die Motivation für einen körperlich aktiven Lebensstil ab. Bereits Stehen und leichtes Gehen haben positive Effekte auf Stoffwechselparameter und sind bei inaktiven Arbeitsplätzen wirksam in der Pausengestaltung einsetzbar (Wallmann-Sperlich, B. 2022).
Auch im Schulsetting, d.h. im Sportunterricht oder im Klassenzimmer, bei Schulwettkämpfen oder Projekten wurde HIIT zur Verbesserung gesundheitsrelevanter Fitness untersucht. HIIT ist zeitökonomisch und daher auch für das Setting Schule interessant. Schließlich haben schulbasierte Bewegungsprogramme einen hohen Stellenwert für die Prävention von Erkrankungen bei Kindern und Jugendlichen, insbesondere im Zusammenhang mit Adipositas und kardiovaskulären Erkrankungen. Die Ergebnisse der Studien zeigen, dass hochintensives Intervalltraining eine geeignete Trainingsform für den Bereich Schule darstellt. Dabei ist zu beachten, dass die Analyse physiologischer Parameter, wie der maximalen Sauerstoffaufnahme, dort in der Regel nicht möglich ist. Vielmehr wird der Trainingseffekt oftmals durch die Laufleistung in Feldtests dargestellt (Engel Und Bauer, 2022).
Ergänzend ein Blick auf die Volkskrankheit Diabetes. In Deutschland sind ca. 10% der Bevölkerung daran erkrankt, über 90% an Typ-2-Diabetes. Bei Diabetikern ist die Wirkung der Belastungsform auf den Blutglukosespiegel zu beachten. Aerobe Belastungsformen mit moderater Intensität (u.a. Wandern, Schwimmen, Radfahren) induzieren primär eine Hypoglykämie. Dagegen kommt es durch intensive anaerobe Aktivitäten (z.B. Sprints) zu einem Anstieg des Blutzuckerspiegels. Durch unterschiedliche Intensitäten (Spielsportarten) wird meist eine stabile Blutzuckerlage erzielt. Intervalltraining mit Intensitäten zwischen 60 – 80 % der maximalen Herzfrequenz werden bei Diabetes Typ II empfohlen. Bei Diabetes Typ I werden neben sogenannten Basisregeln differenzierte Protokolle eingesetzt, wie beispielsweise die Anwendung eines Sporttagebuchs. Die Auswertung wird dann zur Analyse individueller Stoffwechselreaktionen genutzt und zur Einleitung von Therapieoptimierungen im Diabetesteam (Esefeld et al.2021).
Die Anwendungsmöglichkeiten von HIIT Intervalltraining sind groß, ebenso die steigende Anzahl an wissenschaftlichen Publikationen zur Thematik. Der konkrete Effekt für den einzelnen Patienten zeigt sich in der individuellen Trainingssituation. Wichtig sind einfühlsame Beratung und Begleitung zur Förderung der Motivation, die Berücksichtigung von Risikofaktoren bei körperlicher Belastung (u.a. Herz-Kreislauferkrankungen, Neuropathien, Bluthochdruck, Diabetes, Alter). Schlüsselfiguren in diesem Prozess sind neben Sportwissenschaftlern qualifizierte Physiotherapeuten mit Ausbildung in Manueller Therapie inklusive Krankengymnastik am Gerät. Als Coaches strukturierter Bewegungsprogramme transportieren sie ihr Fachwissen auf hohem Niveau in die tägliche Praxis.
Literatur:
Bauer N., Wiskemann J., Rosenberger F. Praxisbeispiel HIIT in der Onkologie. Bewegungstherapie und Gesundheitssport 2022; 38: 189-192. Thieme
Zinner, C. Besondere geschlechterspezifische Unterschiede von HIIT im Gesundheitssport auf Herzkreislaufparameter und Körperzusammensetzung. Bewegungstherapie und Gesundheitssport 2022; 38: 167-170. Thieme
Wallmann-Sperlich, B. Höher-intensive Bewegung im Alltag und ihr Potenzial für die Bewegungsförderung. Bewegungstherapie und Gesundheitssport 2022; 38: 161-166. Thieme
Engel F., Bauer, N. Hochintensives Intervalltraining im Schulsetting – effektiv zur Verbesserung der kardiovaskulären Lesungsfähigkeit? Bewegungstherapie und Gesundheitssport 2022; 38: 152-160 Thieme
Esefeld, K., Kress, S., Behrens, M., Zimmer, P., Stumvoll M., Thurm, U., Gehr B., Brinkmann C., Halle M. Diabetes, Sport und Bewegung. Diabetologie und Stoffwechsel 2021;16 (Suppl. 2): S299-S307. Thieme